Alles oder nichts?

Ihr Lieben,

vor einigen Tagen lief ich so durch die Gegend und wie jedes Mal musste ich feststellen, dass, egal in welche Richtung man schaut, ob nun in der Gegend herum guckend oder auf dem Telefon, man nur noch „perfekte“ Menschen sieht. Nein, natürlich nicht auf der Straße und schon gar nicht im ach-so-hippen Kreuzberg oder in Mitte. Nein, ich meine auf Plakaten, bei Facebook, auf Instagram und wie sie alle heißen, unsere so modernen Kommunikationswege.

Die Meisten von euch werden dies gar nicht anders kennen. Meine Generation allerdings schon. Ich stelle mir öfter mal die Frage, warum sich dies so entwickelt hat. Warum müssen alle Frauen 90/60/90 haben. Warum gibt es heutzutage unzählige Filter-Apps, welche – selbstverständlich -gleichzeitig genutzt werden. Warum sehen Drags auf Bildern so fantastisch aus, aber in der freien Wildbahn…

Jeder möchte von sich nur das allerschönste Foto posten. Keine Makel zeigen und schon gar keine unreine Haut. Aber wie ehrlich ist man hier zu sich selbst? Möchte man nicht den Menschen sehen, der jemand wirklich ist?

Ich finde diese Entwicklung sehr erschreckend. Schaut euch doch nur einmal selber um. Auch stelle ich mir die Frage, ob uns allen eigentlich klar ist, was wir damit schüren. Ob wir wissen, dass jede neue Generation dies als Maßstab nimmt, schlimmer noch, dies als normal sieht.

Wir sind in einer Zeit angekommen, in der man auf der einen Seite perfekt sein muss, um im Leben voran zu kommen. Der Anerkennung quasi hinterher rennt. Auf der anderen Seite sieht die Realität jedoch leider ganz anders aus. Fast-Food an jeder Ecke. Kinder, die schon morgens mit der Chipstüte zur Schule laufen. Ob diese wohl einen Apfel in der Tasche haben? Zweifel wären angebracht. Eher haben sie noch einen Kinderiegel für zwischendurch dabei. Überall sieht man viel zu dicke Kinder und Erwachsene. Wenn ich mir dann aber Fotos aus den 90ern angucke, sieht es deutlich anders aus.

Wann hat es angefangen, dass jedes Foto bis zur Perfektion retuschiert sein muss? Dass Kinder kein Gemüse oder Obst mehr essen wollen? Dass Eltern es nicht ansatzweise interessiert, wenn ihre Kinder immer fetter werden. Dass die Eltern selbst nur den ganzen Tag am Handy hängen und hier wahrscheinlich nur damit beschäftigt sind, ihre nächste Insta-Story hochzuladen – dies sogar auf Spielplätzen. Perfekte Eltern, die ihren ach-so-perfekten Kindern kaum Beachtung schenken.

Leben, frei nach dem Motto „Alles oder nichts“. Aber Perfektionismus hin oder her. Haben wir nicht alle die Pflicht, der jungen Generation zu zeigen, dass man so sein sollte, wie man ist? Dass nicht alles perfekt sein muss? Wie sollen es Kinder denn lernen und verstehen, wenn sie es doch schon ganz anders vorgelebt bekommen?

Worauf soll es hinauslaufen? Welche Folgen kann dies alles haben? Das man kaum noch abschalten kann? Jede Minute am Telefon hängt, um die neusten, perfekten Fotos zu sichten? Wie soll man entspannen, wenn man doch immer weiß, was Andere von einem erwarten.

Man selbst muss sich doch auch die Frage stellen, ob man mit dieser „perfekten Welt“ zurechtkommt. Oder ist man selbst sein größter Gegner geworden?

Natürlich schaue auch ich mir meine Fotos immer genau an, welche ich poste. Ich würde lügen, wenn ich dies verneine. Aber ich packe doch keine zwanzig Filter über mein Gesicht, damit es perfekt erstrahlt. Nein, man darf gern sehen, dass ich keine achtzehn Jahre alt mehr bin. Man darf Falten sehen. Man darf auch mal fertig aussehen, ohne dabei das Gefühl zu bekommen, es ist falsch, was man hier postet.

Früher haben wir verstecken gespielt und heute? Ja, auch hier komme ich einmal mehr mit Kindheitsweisheiten um die Ecke. „1, 2, 3, 4 – Eckstein – alles muss versteckt sein“. Wie oft haben wir dies als Kinder gespielt, doch heute?

Heute spielen wir nur noch das Perfektsein. Spielen? Ist dem so? Spielen wir eine Rolle und diese muss vollständig perfekt (ausgefüllt) sein? Denn im richtigen Leben sind wir es nun wahrlich nicht.

Oder versuchen wir einfach, in einer Welt, welche nur noch mit Katastrophen und Nachrichten von Terror und Rassismus aufwartet, das Beste herauszufiltern? Und da wir dies kaum schaffen, tun wir einfach so, als ob alles perfekt wäre? Natürlich in dem Wissen, dass es nicht so ist. Aber geht es uns damit einfach besser?

Ich sehe es an mir selbst. Ja, das Leben und diese Welt sind „beschissen“ geworden, aber macht es dann noch Sinn, dies täglich und überall widerzuspiegeln? Oder ist es nicht viel sinnvoller, das Beste daraus zu machen und die Dinge positiv zu sehen. Auch wenn sie es so oft nicht sind. Aus Schlechtem etwas Gutes machen? Aus Müll etwas Schönes herrichten? Aus einem hässlichen Entlein einen wunderschönen Schwan zaubern? Oder einfach aus einem normalen Foto etwas unfassbar Hübsches filtern.

Hat Perfektionismus denn etwas mit positiven Gedanken zu tun? Oder Leben wir tatsächlich in einer Gesellschaft, in der man perfekt sein muss, um die Anerkennung zu bekommen, die man haben möchte (vor allem, die ein jeder auf Grund seiner bloßen Existenz schon verdient hat)? Wir rennen dem Perfektionismus hinterher, ohne zu bemerken, dass uns dieser Tag für Tag auf‘s Neue einholt.

Oder ist es am Ende doch einfach nur die Angst vor Ablehnung durch das Unperfekte und man stellt sich deshalb so dar, obwohl man weiß, dass man es nicht ist. Niemand ist perfekt und ich finde, das ist die Botschaft, die man nach außen tragen sollte.

Wir müssen alle selbst entscheiden, was für jeden Einzelnen „perfekt“ bedeutet und wie man es interpretiert. Für mich persönlich ist es meine kleine heile Welt, wenn ich nach Hause komme und die Wohnungstür von innen schließe.

In diesem Sinne, auf uns und auf das Sein, so wie man ist und wie man sein will.

 

Eure Christal C.

cccadmin

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