Ist hetero das neue schwul? Hete oder nicht Hete?
Ihr Lieben,
es gibt da diese eine Frage, welche mir so häufig gestellt wurde, auf welche ich aber nie weiter eingegangen bin. „Wollen wir zusammen frühstücken?“
Das war immer die angenehme Frage, wenn mich mal wieder ein hübscher junger Mann am DJ-Pult aufsuchte und mich dabei verschmitzt angrinste.
Allerdings sollte diese Frage meist nur heißen, „Wollen wir später bumsen“? Das ist nämlich die eigentliche Frage, um die es hier geht.
Und ja, wie viele heterosexuelle Männer hätte ich in meiner Zeit als Drag schon so alles mit zu mir nehmen können. Oder eben zu ihm. Glaubt mir, es waren viele.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich bis zum vorletzten Wochenende nie wirklich mit dieser Situation beschäftigte.
Für mich war immer klar, wir können Spaß haben, aber nicht in Wig und Heels. Es ist sicherlich eine Einstellungssache oder vielmehr noch, wie man selber zu sich steht.
Ich selber liebe es, als Frau durch die Gegend zu rennen, hinter dem DJ-Pult mit einer Meute von Partywütigen die Nacht zu genießen und zu sehen, wie sie zu meinen Beats abgehen.
Aber am Ende der Nacht bin ich doch immer alleine nach Hause gegangen. Ich persönlich könnte es auch nicht. Dazu bin ich zu sehr Junge.
Ich könnte es mir im Leben nicht vorstellen, mit einem Mann einfach ins Bett zu steigen.
Viele andere Herren können dies aber sehr wohl. Sie sind „hetero“, so sagen sie es zumindest immer, aber wollen doch mit mir als Frau ins Bett. Woher kommt dieser Fetisch?
Es ist doch ein Fetisch, oder? Heten, die auf Frauen mit Schwänzen stehen?
Aber ist man denn dann noch hetero? Oder irgendetwas dazwischen? Sie sind nicht schwul, aber – wie ich finde – doch auch nicht hetero.
Aber auch nicht bi, so sagen sie. Was sind sie denn dann? Typen, die Spaß haben wollen und sich nicht trauen, es offen auszusprechen? Jeder, den ich bisher kennenlernte,
wollte es unbedingt. Aber es hätte auch niemand anderes wissen dürfen.
Niemals! Die StaSi lässt grüßen.
Nehmen wir das Erfahrungsbeispiel aus Amsterdam, ohne hier näher auf Namen oder Personen einzugehen. Denn dieses ist brandaktuell.
Nennen wir ihn doch einfach Carlo. Carlo ist doch ein schöner hetero Name. So empfinde ich es zumindest in meinem Kopf.
Ich musste nach Amsterdam zu einem Shooting und da genau an diesem Wochenende der CSD stattfand, dachte ich, kannst du doch eigentlich mit deinen Freunden direkt bis Sonntag dortbleiben und mit allen anderen den Umzug feiern.
Natürlich blieb es nicht nur bei der Parade, denn wir mussten selbstverständlich schon am Freitag nach dem Shoot eine Runde ausgehen.
Da eine Partyreihe aus Berlin in Amsterdam war, dachten wir, besser geht es nicht.
Der Club war voll bis unter die Decke und gehüllt in rotem Licht und einer samtigen Nebeldecke. Der erste Weg im Club führt bei mir immer zum WC und direkt im Anschluss an die Bar. Ich denke nicht, dass euch dieser Ablauf unbekannt vorkommt.
So standen wir also an der Bar. Unsere Blicke trafen sich und ich wusste sofort: du bist doch nicht schwul. Oder etwa doch? Wir bekamen unsere Drinks und beim Verlassen lächelte er mich doch wirklich an.
Dies auch in einer Art und Weise, die meinem „Hetenradar“ sofort sagte, er will etwas von dir.
Was genau, konnte ich in diesem Moment logischer Weise nicht einschätzen. Er sah unfassbar gut aus. So, wie man sich einen Traummann vorstellt.
Groß gebaut, südländischer Herkunft, muskulös und ein Lächeln zum dahinschmelzen.
Der Abend, oder besser gesagt die Nacht, verging und man traf sich immer mal wieder. Nein, nicht immer nur an der Bar, sofern ihr das nun wieder denkt.
Etwas später liefen wir uns in einem Gang über den Weg und mussten aneinander vorbeigehen. Der Gang war eng, so dass sich unsere Haut für einen kurzen Augenblick berührte und er wie aus dem Nichts leise flüsterte, “You look so gorgeous, Honey!“.
Dann wieder dieses so schöne Lächeln und weg war er auch schon wieder. Mein kleines Transenherz blieb für mindestens drei Sekunden stehen. Dann aber erinnerte ich mich recht schnell wieder daran, dass mein Mann ja in Berlin ist und ich lief weiter.
Irgendwann standen wir dann wieder an der Bar. Als ich bezahlen wollte, berührten sich unsere Hände für einen kurzen Moment und wieder dieses Lächeln.
Ich gab ihm einen 50 Euro Schein für drei Getränke und bekam 50 Euro zurück. Diese Rechnung verstehe ich als Blondine bis heute nicht.
Ich weiß ehrlicher Weise aber auch bis heute nicht, wie und warum wir Nummern getauscht haben. Ich denke aber, dass mein bester Freund hier nicht ganz unschuldig war.
Die Nacht war vorbei, ich wachte am CSD Samstag gegen 9h auf und siehe da, eine Whatsapp von Carlo. Gesendet noch in der Nacht und ein Bild war selbstverständlich auch dabei.
Wir schrieben ein wenig über belanglose Themen, aber es stellte sich dann doch recht schnell heraus, was genau er wollte. Natürlich, er wollte das Eine.
Mich am liebsten noch nach dem CSD in irgendeinem Hotel treffen. Aber…nur als Frau. Er schrieb, dass er mich so toll findet, aber nur als Frau.
Dies sind Momente, in denen ich mir immer wieder denke, warum kann mein Kopf dies nicht einfach zulassen. Warum nur nicht?
Aber so ist es nun einmal und genau das schrieb ich ihm dann auch. Seitdem Funkstille. Was mich jetzt nicht sonderlich stört, denn mir war sofort klar,
worauf es hinauslaufen sollte und somit habe ich für mich persönlich auch nicht weiter darüber nachgedacht.
Ich weiß auch von vielen Drags aus Berlin, dass sie alles in den Mund nehmen, was ihnen zwischen die Lippen kommt. Ob hetero oder schwul, spielt dabei schon gar keine Rolle. Oder wollen sie es einem nur suggerieren?
Auch, dass man hier als Transe für eine Taxifahrt in Naturalien bezahlen könnte, wenn man es denn wollte.
Aber warum nur ist unsere Welt so verklemmt? Besser gesagt, warum sind Heteros so verklemmt? Warum ist es solch ein tabuisiertes Thema?
Vielleicht ist es auch eine Art Selbstschutz. Sie wollen mit dem gleichen Geschlecht ins Bett, wollen dies aber nicht wahr haben. Nutzen mich also nur aus, um dem eigenen Kopf einen Streich zu spielen. Ist es so einfach? Sicherlich nicht.
Ich hatte solche Erlebnisse in den letzten zehn Jahren so häufig, aber bis zum heutigen Tage hat mir noch keiner dieser Herren erzählt, wie es ist, hetero zu sein, aber dennoch auf Frauen mit dem gewissen Etwas zu stehen.
Es ist ihnen auch sehr unangenehm, wenn man sie darauf anspricht. Aber warum? Warum verstecken sie ihre Neigungen bis zur Perfektion? Leben wir einfach immer noch in einer Zeit,
in der man gar nicht so frei leben kann, wie man es möchte? Oder ist die Hetero-Welt immer noch so verkrampft und so unsicher, so dass man es nur in geheimer Mission angehen kann?
Auf meine Person bezogen, nenne ich es gern „Mission impossible“.
Es ist, wie es ist. Jeder soll nach seiner Fasson leben und auch leben dürfen. Nicht wahr, liebe Nina. Aber am Ende muss jeder für sich wissen, was gut ist und was nicht und mit wem man ins Bett gehen möchte und mit wem nicht.
Zum Schluss noch ein kleiner Hinweis. Achtet doch bei euren nächsten Spaziergängen durch die Stadt einmal darauf, wie viele Typen euch hinterher gucken, obwohl sie Hand in Hand mit ihrer Freundin durch die Straßen laufen. Es ist sehr interessant.
Der Spruch „ein bisschen „bi“ schadet nie“ scheint nicht von ungefähr zu kommen.
In diesem Sinne auf uns und auf die Freiheit, so sein zu können, wie wir es wollen…wenn wir es denn wollen.
Eure Christal C.